Diesmal wird es melodramatisch: Heppenheimer ... - Artikel




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Diesmal wird es melodramatisch: Heppenheimer ... - Artikel

Beitragvon christvsnaps » So 22. Jul 2018, 16:44

Theater
Diesmal wird es melodramatisch: Heppenheimer Festspiele zeigen das musikalische Schauspiel „Wie im Himmel“

HEPPENHEIM - Die Zeit der klassischen Sommerkomödien von Molière bis Shakespeare ist bei den Heppenheimer Festspielen vorbei. Leiterin Sabine Richter sucht seit 2016 mit dem Hamburger Theatermacher Axel Schneider nach einer neuen Festival-Dramaturgie. Mit Musik geht’s besser und mit Stoffen, die man aus dem Kino kennt, ebenso. „Wie im Himmel“ nach dem schwedischen Kinofilm von Kay Pollak vereint beide Aspekte – und bringt noch eine weitere, hier völlig neue Spielart in den Kurmainzer Amtshof: Es ist ein Melodrama mit Musik.

Zu lachen gibt es da über zweieinhalb Stunden denn auch nicht sehr viel. Bei der Premiere am Donnerstagabend sind einige Plätze nicht besetzt. Der Film kam ja auch schon vor 14 Jahren heraus. Sicher kein Selbstläufer im Spielplan, doch am Ende ist der Jubel des Publikums groß.

Getrieben vom eigenen Welterfolg, erleidet Dirigent Daniel Daréus einen Herzinfarkt und zieht sich erschöpft ins alte Schulhaus seines Heimatdorfes zurück, wo er unerkannt ausruhen will. Doch avanciert er unversehens zum Kantor der Kirchengemeinde und haucht dem kleinen Chor seine spirituelle Begeisterung ein: Der herzkranke Daréus glaubt, Musik könne die Herzen öffnen.

Der Dirigent ist auf Moll gestimmt

Georg Münzel überzeugt in der Hauptrolle nicht zuletzt auch, weil er Violine zu spielen weiß, alle Chormitglieder musikalisch charakterisieren kann. Menschlich ist der Dirigent eher Moll gestimmt, manchmal phlegmatisch bis an den Rande der Depression. Dass er am Ende stirbt, muss man schon aus dem Kino wissen. Daréus legt sich hin, und das könnte man ihm auch als existenzielle Erschöpfung auslegen. Nur manchmal erwacht der zornige Maestro in ihm und er brüllt. Oder das traumatisierte Waisenkind rührt sich, und der Dirigent greift weltwütend zur Axt. Frauen gegenüber aber ist er vor lauter Verlustangst und Bindungsscheu herzlich unbeholfen.

Da entwickelt die zaghafte Tändelei mit der luftigen Lena (Angelina Kamp), die auch im tiefsten Winter kurze Kleidchen trägt, kaum romantische Reibung. Auch sonst könnte das Spiel durchaus mehr Schwung vertragen. Axel Schneider, der das Stück 2015 in Hamburg herausgebracht hat, verschränkt viele Szenen allemal geschickt ineinander. Bühnenbildner Stephan Bruckmeier hat Turngerät vor eine Spiegelwand gestellt, was den Probenraum markiert, aber auch umstandslos Ortswechsel andeutet. Dennoch fehlt es an der nötigen Grundspannung, was weniger am Arrangement, sondern eher an der szenischen Energie liegt.

Auch der Nebenhandlung um die verhuschte Gabriella mit der schönen Stimme (Jasmin Wagner, in den Neunzigern bekannt als „Blümchen“) und ihrem prügelnden Mann mangelt es an dramatischer Dringlichkeit. Holger Löwenberg könnte zwar jederzeit als Türsteher auf der Reeperbahn durchgehen, doch man versteht ihn schlecht, und seine Wut wirkt seltsam gedämpft.

Der interessanteste Konflikt des Abends tut sich zwischen Heuchler und Freigeist, dem verklemmten Pfarrer (Dirk Hoener) und seiner lebensfrohen Frau (Anne Schieber) auf. Dirk Mierau ist als Dorf-Krämer der Mann für den Running-Gag, denn bei den Proben klingelt ständig sein Handy, und es gibt wieder was zu verhökern.

Wider alle Widrigkeiten – gegen Schläge, moralische Vorhaltungen und disziplinarische Winkelzüge – stimmt Daréus den Chor gruppendynamisch auf seine Epiphanie ein: wenn der göttliche Gesang endlich die Menschen vereint. Das Ensemble, das im Laufe der drei Festspielwochen von vier verschiedenen Chören aus Heppenheim und Bensheim unterstützt wird, braucht dabei sängerisch eigentlich gar keine Unterstützung. Das Kirchenlied „Lobet den Herren“ intonieren sie ebenso feierlich wie einen Gospel – schön, aber auch eher getragen, wie es der Grundton dieser Inszenierung vorgibt.

„Wie im Himmel“ spielt ja am Anfang im klirrenden Winter. Das sieht man hier zwar nicht, aber man spürt es. Und wenn am Ende beim Schlussapplaus der wiederauferstandene Daniel Daréus an die Orgel tritt, „Halleluja“ von Leonard Cohen anstimmt und das Publikum in den Refrain einfällt, ist zum Auftakt der Sommerfestspiele eins ganz gewiss: Es ist höchste Zeit, Weihnachtsgeschenke zu besorgen.

http://www.echo-online.de/freizeit/kunst-und-kultur/theater/diesmal-wird-es-melodramatisch-heppenheimer-festspiele-zeigen-das-musikalische-schauspiel-wie-im-himmel_18934909.htm
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