Die heutige Situation ist ein Armutszeugnis“ - Artikel




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Die heutige Situation ist ein Armutszeugnis“ - Artikel

Beitragvon christvsnaps » Fr 8. Mär 2019, 21:11

„Die heutige Situation ist ein Armutszeugnis“

Zum Frauentag lässt Orange fünf Frauen aus ihrem Leben erzählen. Die 38-jährige Schauspielerin und Sängerin Jasmin Wagner („Blümchen“) schreibt über gefährliche Babys und alte Männer in grauen Anzügen.

Ich werde den Weltfrauentag erst dann feiern, wenn nicht an allen anderen Tagen gefühlter Weltmännertag ist. Ich bin fast 40 Jahre auf dieser Welt. Wie viel hat sich bei der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern wirklich getan? Mein Gefühl ist: So viel ist es nicht.

Jasmin Wagner über ihre Karriere: „Ich war von Anfang an die, um die es geht“

Das Problem dabei ist nicht unsere Generation, sondern diese übergewichtigen Männer in ihren grauen Anzügen, denen ich im Zug sitzend schon ansehe, dass sie von Frauen nix halten. Die haben ein total antiquiertes Gesellschaftsbild. Es wirkt ja fast schon beängstigend, wie diese Männer sich in ihrem Job aneinanderklammern in der Angst, da würde eine Frau dazwischen passen. Das wird sich aber sowieso erledigen, weil meisten keine zehn Jahre mehr in ihren Stühlen sitzen.

Mein Leben als Frau ist super. Ich hatte als Kind Pipi Langstrumpf als Vorbild. Gezwungenermaßen, denn sie hat als einziges Mädchen in der Buch- und Serienwelt mir das gezeigt, was ich auch sein wollte: Stark, unabhängig, abenteuerlustig und neugierig. Über was lesen Kinder sonst in so vielen Märchen? Von hübschen Mädchen, die auf ihren Prinzen warten, der dann ihr Leben regeln soll. Wenn wir das den Kleinsten als Vorbilder servieren, beginnt für mich schon der Fehler.

Ich hatte wie Pipi immer schon ein sehr eigenes und selbstbestimmtes Leben. Alles was ich tue sind selbstgewählte und meist auch neue Wege, die ich zum ersten Mal gehe. Ob als Schauspielerin oder als Sängerin in einer Plattenfirma, die sehr männerdominiert ist: Überall war ich von Anfang an die Person, um die es geht. Mit der geplant, gestaltet und gearbeitet wird.

Ich habe aber Freundinnen, die in allen möglichen Berufen unterwegs sind und erleben, dass die Gesellschaft bei der Gleichberechtigung längst noch nicht die volle Punktzahl erreicht hat. Das sehe ich auch in vielen Statistiken, die ich lese. Für mich steht fest: Solange Frauen meistens weniger verdienen als Männer und immer noch mehr Männer in Vorständen sind von Unternehmen, die unsere Gesellschaft tragen, sind wir nicht gleichberechtigt.

„Mein Mann soll die gleichen Rechte und Pflichten haben wie ich“

Es ist 2019 und immer noch ein ziemlicher Krampf in dem Thema. Redet man mit Männern außerhalb von offizieller Political Correctness, wirken die da auch nicht sehr unterstützend – es geht aber nun mal nicht ohne die Männer. Sie müssen bereit sein, Platz zu machen und Frauen bei gleicher Qualifikation als Führungskräfte zu akzeptieren.

Jasmin Wagner: Ich bin im Kern Feministin

Es kommt mir auch so vor, dass es der Gesellschaft mittlerweile zu anstrengend ist, über das Thema Gleichberechtigung zu reden. Das sehe ich als großes Problem. Ich bin im Kern Feministin und kann nicht verstehen, dass man die heutige Situation als Frau akzeptiert. Wenn man sagt: „Es ist schon viel geschafft!“, ist das ein Armutszeugnis für die Zeit, in der wir leben.

Die Nachteile von Frauen liegen heute ja immer noch auf der Hand. Meine Mutter hat sich nach der Scheidung meiner Eltern dem „Familienunternehmen“ als Hausfrau und Familienmanagerin verschrieben – was sie dafür jetzt als Rente bekommt ist einfach mies. So etwas halte ich für dramatisch – und ich habe das Gefühl, dass keiner darüber redet, obwohl das noch immer so aktuell ist.

Alle meine Freundinnen, die sich für Kinder entscheiden, können in der Theorie natürlich noch in einer Halbtagsstelle arbeiten, aber in der Praxis schaffen sie es nicht. Es ist einfach zu viel los, es kostet viel Kraft, Kinder groß zu ziehen – gerade wenn es zwei oder drei sind. Durch fehlende Kitaplätze und viel zu wenige Betreuungsangebote müssen Frauen zu Hause bleiben. Und wenn die Ehe zerbricht, haben diese Frauen jahrelang nicht ins Rentensystem eingezahlt und können diese Lücke, die dadurch entstanden ist, dass sie sich für eine Familie entschieden haben, meist nicht mehr auffüllen: Die Rentenprognosen für diese Freundinnen von mir sind schlecht.

Jasmin Wagner zum Weltfrauentag: Wir müssen Gleichberechtigung leben

Zugegeben: Ich habe das selber nicht erlebt, da meine Welt, in der ich bin, anders funktioniert. Ich bin eine Frau, die ihr Leben lang ihr eigenes Geld verdient und sich nicht abhängig machen möchte von Faktoren wie Mann oder Ehe. Deswegen würden mich eigene Kinder auch aus keinem System werfen.

Eigentlich ist es sinnlos, Gleichberechtigung zu besprechen. Denn solange wir nur darüber reden, und es nicht einfach gemacht wird, bleibt es einfach nur krampfig. Es wird sich erst dann gelockert haben, wenn wir Gleichberechtigung einfach praktizieren – und sie für uns selbstverständlich ist. In der Zwischenzeit kann man sich aber auch als Frau aktiv aufstellen: In der Gesellschaft werden wir Frauen immer als stutenbissig dargestellt.

„Frauen müssen viel mehr zurückstecken!“

Das ist nicht nur ein Klischee, das gibt es auch. Solange sich aber Frauen gegenseitig als Konkurrenz sehen, befeuern sie das System von innen. Das sollten wir nicht tun! Ich persönlich fühle mich in meinem Frauenteam wahnsinnig wohl. Das ist kein männerfeindliches Team, aber die Energie die ich von den Mädels bekomme, mit denen ich arbeite – da muss man als Mann auch erstmal mithalten können.

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